Mittwoch, 29. Mai 2024

Anstellungsmodell pflegende Angehörige

Derzeit ist ein Forderungspapier zum Anstellungsmodell für pflegende Angehörige in Begutachtung. 


Wir können nur immer wieder darauf hinweisen, warum wir so dagegen sind und haben das auch nochmal weitergeleitet. 


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Sehr geehrte Damen und Herren!


Grundsätzlich ist es erfreulich,  wenn man pflegende Angehörige aus der Sozialhilfe heraus lösen möchte. 


Aus unserer Sicht ist das Anstellungsmodell dafür aber nicht geeignet. 


Richtig ist,  dass wir in eine Arbeitsgruppe eingebunden waren.  Von Beginn an war aber geplant gemeinsam nach einer anderen Lösung zu suchen. 


Aus unserer Sicht können pflegende Angehörige nicht "angestellt " werden,  weil es mit einem herkömmlichen Arbeitsverhältnis in keinsterweise vergleichbar ist.  Es gibt hier keine Möglichkeit der "9 to 5" Arbeitszeit,  weil die Arbeit,  in dem Fall die Pflege,  Betreuung und Begleitung, niemals endet. Es gibt keine Möglichkeit von Ruhezeiten. Die Idee eines Urlaubes für pflegende Eltern ist sehr nett gemeint,  aber ebenfalls in der Realität so gut wie nicht umsetzbar.  Erkläre man z.B. einem Autisten,  dass da jetzt andere,  fremde Menschen plötzlich zuständig sein sollen. 


Des weiteren grenzt es an eine Beleidigung,  wenn man pflegende Eltern in einen verpflichtenden Kurs stecken möchte, insbesondere wenn sie zuvor oft schon Jahre die Pflege und Betreuung ihrer Kinder und erwachsenen Töchter und Söhne mit Behinderungen gepflegt und betreut haben. Es ist daher auch nicht nachvollziehbar,  dass man während der Anstellungszeit pflegerisch nicht tätig sein darf, weil die Ausbildung nicht ausreichend ist.  Ich kann und darf als Angehörige Katheter setzen,  Stoma pflegen, Epilepsiemedikamente verabreichen,  Spülungen vornehmen oder absaugen,  aber in Anstellung benötige ich dabei Unterstützung?


Im Übrigen werden nach dem Tod des zu Pflegenden, die wenigsten Angehörigen darauf erpicht sein über den Arbeitsmarkt in die Pflege zu gehen. Aus unserer Sicht wohl der Hauptgrund für den verpflichtenden Kurs. 


Ein weiterer Kritikpunkt ist der Verlust der Privatsphäre von zu Pflegenden und pflegenden Angehörigen gleichermaßen, durch die geplanten Kontrollen. 


Selbstversicherung in der Pensionsversicherung gibt es bereits,  dafür braucht es kein neues Modell. 


Für uns ist es auch nicht nachvollziehbar,  dass man einen Teil des Pflegegeldes für die Anstellung des Angehörigen heran zieht und kein Problem sieht,  dass hier die Selbstbestimmung verletzt wird. 


Lt.  Entwurf  ist es vorgesehen,  dass man als Angehöriger entweder die Option hat einer Arbeit nachzugehen oder sich anstellen zu lassen.  Es gibt somit keine tatsächliche Option,  wenn man mit einer Anstellung nicht einverstanden ist. 


Auch haben wir darauf hingewiesen,  dass viele Betroffene dann keine Möglichkeit mehr haben werden eine Tagesstruktur oder ähnliches besuchen zu können. Lt. Entwurf  soll zwar zukünftig die Möglichkeit eingeräumt werden,  aber die wenigsten werden sich das dann noch leisten können.  30% des Pflegegeldes werden derzeit an die Tagesstruktur bezahlt.  Es gibt aber sehr viele Tagesstrukturen, im Übrigen zahlt man dann zusätzlich noch Essensgeld und Eigenbeiträge verlangen.  Manche zahlen da zwischen 150.- und 500.- zusätzlich pro Monat vom Pflegegeld. Wenn aber dann ein großer Teil zur Anstellung (lt. Forderungspapier  50%) verwendet wird,  dann wird sich der Besuch einer Tagesstruktur oder ähnlichem finanziell nicht mehr ausgehen!


Aus unserer Sicht ist eine Rauslösung aus der Sozialhilfe für die Zeit der Pflege eines Angehörigen oder eines Kindes wichtig und richtig.  Zumindest in der Höhe der derzeitigen Wiener Mindestsicherung, sollte es eine Existenzabsicherung ohne weitere Auflagen geben.  Bei der Pflege eines Kindes sollte diese Möglichkeit unbedingt bereits ab der Pflegestufe 1 möglich sein.  Die Pflege und Betreuung ist eine große Herausforderung und gerade im Kindesalter kommt es gehäuft zu zusätzlichen Problemen.  Immer wieder hören wir von Eltern,  dass sie deren Kinder aus Kindergarten oder Schule bereits nach 1 oder 2 Stunden von dort abholen müssen,  weil die Kinder,  natürlich auch die Pädagogen, mit der Situation überfordert sind (trifft sehr häufig auf Kinder im Autismus Spektrum zu). Man kann dann echt von Eltern,  insbesondere von Alleinerziehenden, nicht auch noch erwarten,  dass sie dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stehen! Das geht sich nicht aus!


Für die,  die Arbeiten können und wollen benötigt es besser abgestimmte Betreeungsmöglichkeiten und zwar so, dass die Kinder,  aber auch die Eltern,  nicht quer durch die Stadt oder in andere Ortschaften fahren müssen!


Aus unserer Sicht ist das Anstellungsmodell keine ehrliche Option und daher haben wir dem Modell auch nicht zugestimmt.  


Wir haben dies mehrfach in der Arbeitsgruppe betont und auch schriftlich mitgeteilt. 

Mit freundlichen Grüßen 

SHG und Initiative ENTHINDERT 

I.V. Claudia Sengeis und Jasmina Urosevic

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