Donnerstag, 12. Juli 2018

Offener Brief

Hier ein weiteres Schreiben unserer Gruppe gemeinsam mit dem Verein Lobby4kids zum Thema Mindestsicherung (auch an alle Oppositionsparteien geschickt). SPÖ hat zumindest zurückgerufen. NEOS haben eine Mail geschickt mit einer sehr frechen absichtlichen Themenverfehlung.


Hier unser öffentliches Schreiben:


Anliegen und Forderungen von Eltern als pflegenden Angehörigen ihrer Kinder
betreffend Mindestsicherung
Viel liest man über pflegende Angehörige, über Menschen mit Beeinträchtigungen. Über die Pflege im Alter, etc.. Sehr viel wurde und wird diesbezüglich thematisiert.
Nun gibt es aber eine Gruppe, die so gut wie nie erwähnt bzw. bedacht wird -  sei es bei Umsetzung von Gesetzen, als auch bei Berücksichtigung von Studien, Interessenvertretung, etc..
Dies ist die
Gruppe von pflegenden Angehörigen von Kindern mit Beeinträchtigungen jeden Alters
Tatsache ist, dass die jetztige Regierung bzw. Bundeskanzler Sebastian Kurz bei Menschen wie uns und unseren Kinder den Sparstift ansetzen möchte.
Zahlen, Daten, Fakten: Quelle Statistik Austria
Jede 4. Familie in Österreich ist von der Pflege eines Angehörigen betroffen
2017 gab es 456.650 Pflegegeldbezieher in Österreich
rund 16% der Pflegegeldbezieher werden Stationär betreut
2% nehmen 24 Std. Pflege in Anspruch
rund 83% werden von pflegenden Angehörigen zu Hause betreut
Hinzu kommen rund 42.700 Kinder und Jugendliche zwischen 5 und 18 ! Jahren, die als pflegende Angehörige ihrer Eltern und Geschwister fungieren. (Die Dunkelziffer wird wohl, alleine aus Scham und Unwissenheit, wesentlich höher sein)
Rund 100.000 Österreicher leiden an einer demenziellen Erkrankung (steigend)
12% gaben in einer Studie zur Situation pflegender Angehöriger an, dass in ihrer ländlichen Umgebung KEIN mobiler Dienst vor Ort ist
42% können sich finaziell keinen Pflegedienst leisten!
Ca. 55% der pflegenden Angehörigen (überwiegend Frauen) erhalten ein Brutto-Monatseinkommen von weniger als EUR 860,-
Oft geht man fälschlicherweise davon aus, dass pflegende Angehörige die Möglichkeit haben, sich ein „Netzwerk“ aufzubauen bzw. dass sie eines haben. Das ist leider eine vollkommen falsche Annahme. Es gibt viele Alleinerziehende, viele Alleinbetreuende, die auf Unterstützung, wie die der Mindestsicherung angewiesen sind, die keinen familiären und finanziellen Hintergrund  haben. Unter diesen Umständen ist es  sehr schwer, auch noch  berufstätig zu sein.
Laut derzeitiger Rechtslage ist eine Voraussetzung für den Bezug von Leistungen aus der BMS, der Einsatz der Arbeitskraft. Aber der Einsatz der Arbeitskraft darf insbesondere dann nicht verlangt werden, wenn pflegende Angehörige mit zumindest der Pflegestufe 3 überwiegend betreut werden. Die BMS sieht somit Leistungen für all jene vor, die aufgrund der Pflege keiner Erwerbstätigkeit nachgehen können und auch keinen Anspruch auf Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung geltend machen können.
Soweit pflegende Angehörige jedoch das Pflegegeld für ihre Leistungen erhalten, wird ihnen dieses als Einkommen in der BMS teilweise noch immer angerechnet.
Erfreulicherweise, hat man in Wien umgedacht, und sollte ab 01.01.2018 , das Pflegegeld hier nicht mehr als Einkommen angerechnet werden.
Durch die neue Regierung, wird dies aber in Frage gestellt!
Laut Plan von Bundeskanzler Kurz und Vizekanzler Strache will man das OÖ bzw. das NÖ BMS Modell auf Bundesebene durchsetzen. Frau Sozialministerin Hartinger-Klein bevorzugt das Vorarlberger Modell.
Das wiederum würde uns massiv unter Druck setzen. Für uns pflegende Angehörige von beeinträchtigten Kindern, ist das Wiener Modell das einzige , mit dem wir auch unseren Lebensunterhalt, als pflegende Angehörige, bestreiten können. Alle anderen Modelle würden uns finanziell  schwer treffen und massiv in der Lebensgestaltung behindern. Da man aber doch immer wieder propagiert, dass man die Pflege zu Hause mehr unterstützen möchte, passt diese Umgestaltung hier nicht zusammen.
Viele von unseren Kindern bleiben, auch wenn sie bereits erwachsen sind, zu Hause wohnen. Nicht alle beeinträchtigten Menschen möchten von zu Hause ausziehen.
Mit den BMS Modellen von OÖ und NÖ auf Bundesebene, wäre aber ein selbstbestimmtes Leben unmöglich.
Denn in OÖ z.B. bekommt ein behinderter Erwachsener, sofern er zu Hause wohnen bleibt, eine BMS von max. EUR 212,- zur Verfügung gestellt. Wenn nicht die Eltern bzw. sogar die Großeltern, ein eigenes Einkommen haben. Wir haben in unserer SHG Mütter aus OÖ, deren erwachsene Kinder keinen Cent BMS erhalten.
In Wien ist ein erwachsener Mensch mit Beeinträchtigung, mit dem vollen Bezug der BMS, ein eigenständiger Mensch, mit eigenem  Geld, und hat somit die Möglichkeit auf ein selbstbestimmtes Leben. In OÖ ist das nicht der Fall.
Das von Christian Kern „ins Herz geschlossene“ Vorarlberger Modell mag im ersten Moment gut und richtig erscheinen. Doch ist hier zu befürchten, dass in vielen Fällen dann wieder die „Amtswillkür“ zuschlägt und die Anträge ungleich genehmigt werden. Damit müssen wir uns ja leider auch in Wien immer wieder „herumschlagen“.
Zahlen, Daten, Fakten zur BMS:
BMS 2016
Österreich Gesamt: davon in Wien:
307.533 Personen 173.484
davon Alleinerziehend davon in Wien:
59.050 28.946
mit einer volljährigen Person im gemeinsamen Haushalt lebend bei Bezug von Familienbeihilfe:
21.164 3.088 (in Wien)
Der Frauenanteil in Österreich (gesamt) beträgt 37% (113.778 Personen)
27% (83.818 Personen) sind Kinder
15% Alleinerziehende
32% Paare
2016 waren es
65% Bedarfsgemeinschaft mit Bezugsdauer von: 7-12 Monaten


20% Bezugsdauer max. 3 Monate


16% 4-6 Monate

Die Durchschnittsdauer betrug 8,1 Monate
(Soviel zu: „Die Leut, die sich in der sozialen Hängematte ausruhen“)
***
Richtig ist, dass Eltern von beeinträchtigten Kindern in erster Linie ELTERN sind, Was aber nicht berücksichtigt wird ist, dass beeinträchtigte Kinder zumeist von Geburt an ein „Pflegefall“ sind und dass die Situation einen großen Unterschied zum „normalen“ Elterndasein ausmacht (Zeitaufwand, finanzieller Aufwand, psychische und physische Belastung).
Einerseits wird über eine Kostenexplosion in der Pflege diskutiert, obwohl Ressoursen und  Personal gar nicht vorhanden sind und wird die Unterbringung in Heimen mit der Begründung der Arbeitsplatzbeschaffung vorangetrieben (Zwangsverheimung).
Andererseits vergleicht man etwaige Ausgaben für die Pflege und Betreuung von beeinträchtigten Kindern im eigenen Haushalt, mit der Pflege in einer Unterbringung, so kommt dem Steuerzahler die Unterstützung der Pflege zu Hause wesentlich günstiger.
Zahlen, Daten, Fakten:
Pflegegeld in Stufen:
Stufe 1 EUR 157,30 65 Std.
Stufe 2 EUR 290,00 95 Std.
Stufe 3 EUR 451,80 120 Std.
Stufe 4 EUR 677,60 160 Std.
Stufe 5 EUR 920,30 180 Std. +
Stufe 6 EUR 1.258,20 180 Std. +
Stufe 7 EUR 1.688,90 180 Std. +
Ein Anspruch auf erhöhte Familienbeihilfe für den Pflegegeldbezieher vermindert den Auszahlungsbetag um EUR 60,-
Geht man jetzt von den erwachsenen Kindern aus, die im gemeinsamen Haushalt leben und die BMS als Dauerleistung beziehen, weil diese dauerhaft arbeitsunfähig sind,  und zählt man den pflegenden Angehörigen hinzu (bei voller Auszahlung der BMS), so erhält man einen Betrag von EUR 1.728,80
Geht man jetzt davon aus, dass man ab Pflegestufe 3 bei überwiegender Betreuung des pflegenden Kindes, keiner Erwerbstätigkeit nachkommen muss bzw. kann, so würden sich  mit der Einberechnung des Pflegegeldes nach Abzug der EUR 60 folgende Beträge ergeben:
ab Pflegestufe 3:
(BMS für das zu pflegende erwachsene Kind samt BMS pflegender Elternteil, samt Pflegegeld abzüglich der EUR 60,-)
Stufe 3 EUR 2.120,60
Stufe 4 EUR 2.346,40
Stufe 5 EUR 2.589,10
Stufe 6 EUR 2.927,70
Stufe 7 EUR 3.357,70
(Im Übrigen, fahren wir nicht mit Mopeds spazieren, die wir vom Pflegegeld bzw. der BMS unserer Kinder bezahlt haben!)
Durchschnittliche Kosten für eine Pflegeplatz / Tag:
TARIFE JE LEISTUNGSBEREICH täglich PFLEGEPLATZ –
allgemeine Pflege und Betreuung
Pflegegeldstufe 3 166,52
Pflegegeldstufe 4 178,26
Pflegegeldstufe 5 193,93
Pflegegeldstufe 6 215,82
Pflegegeldstufe 7 248,66
Abwesenheitstarif 73,49
KURZZEITPFLEGE Leistung REMOBILISATION
Pflegegeldstufe 3 271,78
Pflegegeldstufe 4 283,50
Pflegegeldstufe 5 299,18
Pflegegeldstufe 6 321,06
Pflegegeldstufe 7 353,91
Abwesenheitstarif 82,04
Unterstütztes / betreutes WOHNEN mit VORÜBERGEHENDER PFLEGE und Betreuung Pflegegeldstufe 3 220,48
Pflegegeldstufe 4 232,22
Pflegegeldstufe 5 247,89
Pflegegeldstufe 6 269,78
Pflegegeldstufe 7 302,62
(Sämtliche Beträge sind Tagesbeträge)
Nimmt man jetzt die untersten Werte und vergleicht sie, so kann man durchaus feststellen, dass die Pflege zu Hause, trotzdem man den pflegenden Angehörigen „mit unterstützt“ wesentlich günstiger kommt, als eine Unterbringung in einer Pflegeeinrichtung.
 
Die Verstragsstaaten anerkennen das gleiche Recht von Menschen mit Behinderung auf Arbeit; dies beinhaltet das Recht auf die Möglichkeit, den Lebensunterhalt durch Arbeit zu verdienen!
Bei Dauerleistungsbeziehern der BMS ist dies hinfällig, weil diese Personen als „arbeitsunfähig“ gelten. Bei allen anderen Personen, die einer geregelten Arbeit in Werkstätten nachgehen und nur Taschengeld erhalten, könnte man die „BMS“ umwandeln in Lohn. Mit geringem Abzug für eine eigene Pensionsvorsorge.
Tatsache ist, dass bei der geplanten Kürzung durch Kurz und Strache bei der BMS, viele Betroffene um ihre Existenz bangen müssen. Nicht weil sie sich in der sozialen Hängematte ausruhen, sondern weil sie gar keine Möglichkeit haben einer geregelten Arbeit nachzugehen und sich somit selbst zu erhalten.
Wir ersuchen gemeinsam als Betroffene:
Die Oppositionsparteien mögen uns ganz dringen helfen und uns dabei unterstützen, dass die Regierung das Wiener BMS Modell einheitlich zugunsten ALLER Betroffenen in Österreich, die durch Krankheit, Beeinträchtigung oder Pflegeleistung (pflegende Angehörige), keiner geregelten Arbeit nachgehen können,   zu unterstützen und zu gewähren.



SHG ENTHINDERT und
Lobby4kids – Kinderlobby Wien, am 25.04.2018

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